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Eine tugendorientierte Moralphilosophie des Berufs


"...weil die Willenswahl ohne Klugheit und ohne Tugend nicht recht geraten kann.
Diese lässt uns das Ziel bestimmen, jene die Mittel dazu gebrauchen."

(Aristoteles, NE 1145a, 4-6)

Das Wort "profession" (Profession, Beruf) leitet sich etymologisch vom lateinischen profiteri ab: laut oder öffentlich bekennen (The Oxford Dictionary of English Etymology, 1966). Was die Berufe bekennen, ist eine Forderung speziellen Wissens und der Treue zu etwas, was das Eigeninteresse überschreitet. Die Berufe formulieren dieses Bekenntnis öffentlich in ihren Codices, Berufsordnungen und -Gelöbnissen. Persönlich artikulieren die Berufsangehörigen das Bekenntnis mit jedem Angebot ihrer Dienste dem gegenüber, der ihrer Hilfe bedarf und sie in Anspruch nimmt.

Der "Bekenntnisakt des Berufs" ist also ein feierliches Versprechen der Kompetenz und des freiwilligen Eintretens in ein vertragliches Vertrauensverhältnis. So wird er von denen verstanden, denen gegenüber das Bekenntnis erfolgt. Durch seinen Bekenntnisakt verpflichtet sich der Angehörige eines Berufs zum Guten für sein Gegenüber - im Falle der Medizin im besten Interesse des Patienten.

In diesem Beitrag werde ich ausführen, daß der Akt des Bekenntnisses zum Beruf der moralische Kern wahrer Berufsethik ist. Mit seinem Bekenntnis zum Beruf bindet sich der Bekennende selbst an bestimmte intellektuelle und moralische Tugenden, an diejenigen nämlich, die ihn habituell befähigen, sein Versprechen einzulösen und die Erwartungen zu erfüllen, die das Versprechen auslöst. Die Treue zu diesen Tugenden macht aus dem Berufsangehörigen einen guten Vertreter des Berufs.

Meine nachstehenden Ausführungen beziehen sich vornehmlich auf die Klinische Medizin und die Phänomene, die den Arztberuf zu einem moralischen Unternehmen machen.

Ähnliches läßt sich für Sozialmedizin und Public Health darlegen. Dasselbe gilt für andere dienstleistende Berufe wie Rechtsanwalt, Seelsorger und Lehrer (Pellegrino, 2001). Jeder dieser Berufe gründet auf seinem je eigenen Bekenntnis und jeder verlangt bestimmte Tugenden, die zur bestmöglichen Erfüllung seiner Zwecke befähigen. Es handelt sich jeweils um die Tugenden, die dem Beruf zuinnerst eigen sind, die seine Ziele verlangen und die zu ihrer Erreichung unverzichtbar sind.

Es geht also hier weniger um die Ethik in der Medizin in ihrer gesamten Spannweite als um die Ethik in der Klinischen Medizin. Und hier stütze ich mich stark auf die klassische Ethik-Theorie. Näherhin richtet sich mein Blick auf das Berufsethos, die Ethik des Arztberufs. Die ethischen Aspekte bei der Anwendung einzelner medizinischer Techniken müssen zurückstehen. Zu diesen letzteren gehören nicht zuletzt auch die Entscheidungen am Ende des Lebens, die Herausforderungen der humangenetischen Medizin, die Reproduktionstechnologie und die Dilemmata zwischen Biotechnologie und "Verbesserung" des Menschen. Dies sind alles zwar extrem wichtige Themen. Gleichwohl richten sich meine Ausführungen hier auf die Moralität des beruflich handelnden Arztes - im Sinne einer Moralphilosophie des professionellen Handelns.

Meine Ausführungen gliedern sich in vier Teile. Im ersten entwickle ich die Grundlinien meiner Sicht der Tugendtheorie und ihre Bezogenheit auf Ziele ganz allgemein und auf Zwecke der Klinischen Medizin im besonderen. Der zweite Teil wendet sich dem für den Patienten Guten zu als dem spezifischen Zweck klinischer Medizin, sodann den zur Erreichung dieses Zwecks nötigen speziellen Tugenden. Im dritten Teil werden die Ergebnisse auf andere dienstleistende Berufe ausgedehnt. Im vierten Teil gehe ich dann auf einige Einwände gegen die hier vorgetragene Argumentation ein.

I. Tugendethik

Die Tugendlehre ist die beständigste und zugleich komplexeste Ethik-Theorie. Ihre Wurzeln liegen in der klassischen Antike. Das Mittelalter hat sie bereichert und zur Blüte gebracht. Bis ins 18. Jahrhundert blieb sie Schwerpunkt der Moralphilosophie. Dann trat sie in den Schatten der Theorien des Rechts, der Pflichten, der Folgenabschätzung und sozialer Konstruktion. Besonders  G.E.M. Anscombe (1981) und A. MacIntyre (1984) haben eine erfreuliche Renaissance eingeleitet. Viele Ethiker heute erkennen die Notwendigkeit einer gewissen Tugendorientierung an, um eine umfassende Theorie der Moral zu entwerfen.

Diese modernen und zeitgenössischen Bezugnahmen variieren hinsichtlich der Interpretation der klassischen Tugendlehre und ihrer Anwendbarkeit auf das moralische Leben in der heutigen Welt. Einige halten an der Gültigkeit und Aktualität der klassischen Ausprägung fest (Devettere 2002). Andere bestehen auf Modifikationen oder weichen ganz von ihr ab und führen andere Bestimmungen des Tugendbegriffs ein (Statmann 1997; Trianoski 1997). Es würde diesen Beitrag sprengen, auf alle diese Barianten mit ihren etwaigen Folgen für meine Argumentationslinie einzugehen.

Meine Ausführungen bleiben der klassischen Tugendlehre stark verpflichtet, soweit ich sie im spezifischen Kontext beruflicher Verhältnisse interpretiere. Die klassische Theorie betont die teleologische, also zweckorientierte Natur der Tugend. Das kommt meines Erachtens meiner Art, den beruflichen Bekenntnisakt zu bestimmen, sehr entgegen. Einen Beruf zeichnet je seine Hinordnung auf das Gute für diejenigen aus, denen zu dienen seine Aufgabe ist. Insofern bringt er die Selbstverpflichtung zum Besitz der intellektuellen und moralischen Tugenden, die die Erfüllung dieser Aufgabe verlangt, schon mit sich.

Ich akzeptiere die Einschränkung, daß Tugendlehren nicht ganz in sich abgeschlossen bestehen können - d.h. unabhängig von Prinzipien und Pflichten. Es gibt auch noch andere Einschränkungen (Solomon 1997). Hierzu gehören einige wenige aus moralischen Leitlinien folgende Handlungsanweisungen, Meinungsverschiedenheiten über das für den Menschen Gute und der Ersatz metaphysischer Zweckorientierung (Teleologie) durch utilitaristische Folgenabschätzung (Konsequenzialismus). Trotz dieser Schwächen liefert die klassische Tugendlehre eine konsistentere Berufsethik als ihre skeptischeren modernen Varianten oder Ersetzungen.

 Gewiß machen die heutigen Auffassungsunterschiede über Ziele und Sinn des menschlichen Lebens es schwer, die Verbindung zwischen dem Guten und den Tugenden zu verdeutlichen. Die naturrechtliche Ethik definiert das für die Menschen Gute in Aristotelischer Terminologie als das, was für die menschliche Erfüllung nötig ist (Finnis 1980, MacIntyre 1984). Die Stoiker setzten das Gute mit moralischer Vollkommenheit gleich, mit dem Wissen und Tun dessen, was recht ist (Sandbach 1975). Wie auch immer, das Gute, um das es uns geht, ist nicht das schlechthin für den Menschen als Menschen Gute im Vollsinn des Wortes, sondern das Gute, auf das die Ausübung eines bestimmten Berufes ausgerichtet ist.

Mit diesem teleologischen Ansatz scheint mindestens eine Schwäche der klassischen Lehre überwindbar zu sein. Gemeint sind die Schwierigkeiten, bestimmte Tugenden oder Tugend überhaupt zu definieren. Oft unterlag man einem Zirkelschluß wie: Tugenden sind die Charakterzüge tugendhafter Personen. Oder: Tugendhaft ist, wer Tugenden erkennen läßt. Tugenden auf Ziele beziehen löst dieses Problem. Bezieht man Tugenden auf Ziele, so meine Auffassung, gibt das dem moralischen Leben einen Vektor: Richtung und Maß von einem Ausgangs- hin zu einem Endpunkt.

Zwar löst der Rekurs auf die klassische Tugendlehre nicht alle Moralfragen. Es gibt eine Tendenz, die Tugendlehre als Antidot (Gegengift) zu den von manchen beklagten Irreführungen des Kantianismus, Utilitarismus und Prinzipialismus1 zu betrachten. Die Tugendlehre soll die Abstraktheit, Engführung und Verdrängung der Moralität als solche heilen, die Kritiker in diesen Theorien ausmachen. Hierzu neigen existentialistische, bestimmte fürsorgerische1a, feministische und Diskursethiken. Die Tugenden wurden hier psychologisiert und politisiert zu Lasten ihres klassischen Grundverständnisses. Weil dann die Tugendlehre als Allheilmittel der Moral versagt, wird sie als Kind mit dem Bad ausgeschüttet.

Deshalb beschränkt sich dieser Beitrag auf das begrenztere Thema der Tugenden in den Berufen, insbesondere in der Medizin. Die Berufe sind nämlich umschriebene menschliche Tätigkeitsfelder, in denen Tugenden mit Zielen verschränkt werden können. Berufe haben benennbare Ziele, die sie charakterisieren. Jeder Beruf dient bestimmten allgemein-menschlichen Nöten. Wer krank ist, sucht geheilt zu werden. Wer Unrecht erlitten hat, sucht sein Recht. Wer zu Gott strebt, sucht Religion. Man mag - zu recht oder unrecht - der Medizin, der Justiz, dem Priestertum noch andere Zwecke zuschreiben, fest steht, daß ohne den Zweck zu heilen es die Medizin nicht gäbe, daß, ohne den Zweck, Gerechtigkeit herzustellen, es die Justiz nicht gäbe, dass es ohne Bezug zu Gott das Priestertum nicht gäbe. Zweck und Ziel - oder telos - jedes dieser Berufe ist das Wohl eines Menschenwesens in einer je konkreten existentiellen Notlage mit spezifischem Hilfsbedarf. Für den Arzt ist - nach und seit Hippokrates - das berufliche telos das Wohl des Patienten. Für den Anwalt ist es das Wohl seines Mandanten, für den Priester das Wohl seines Pfarrangehörigen. In jedem Fall ist das Unterscheidungsmerkmal der Berufe, welch sonstigen Funktionen sie auch sonst noch dienen mögen, die jeweilige Eigenart des für einen Menschen Guten. Dieses Unterscheidungsmerkmal bestimmt zugleich die für diesen Beruf nötigen spezifischen Tugenden. Nichts anderes besagt der erste Satz der Nikomachischen Ethik des Aristoteles:

"Jede Kunst und jede Lehre, desgleichen jede Handlung und jeder Entschluß, scheint ein Gut zu erstreben, weshalb man das Gute treffend als dasjenige bezeichnet hat, wonach alles strebt." (N.E. 1094a, 1-3).

Meine Ausführungen sind über weite Strecken ein Kommentar zu diesem ersten Satz der Ethik des Aristoteles, wobei ich die Medizin als paradigmatischen Anwendungsfall nutze. Danach ist Zweck und Ziel das für den Patienten Gute und müssen bestimmte Tüchtigkeiten (ein anderes Wort für Tugenden) des Arztes "ein Habitus sein, vermöge dessen er selbst gut ist und sein Werk gut verrichtet." (N.E. 1106a, 22-24)

Im Gegenüber von Arzt und Patient ist telos das für den Patienten Gute, nämlich seine Heilung. Sie ist Ziel und Zweck, auf die beide, der Patient und der Doktor, ausgerichtet sind. Das Ziel zu erreichen verlangt bestimmte Tugenden - sowohl moralische als auch intellektuelle. Es sind die Tugenden, die die Ärztin oder der Arzt besitzen muß, wenn er oder sie den Zweck der Medizin erfüllen soll. Es reicht nicht, daß es ganz schön oder gar bewundernswert wäre, wenn der Arzt sie hätte. Die Natur der Medizin verlangt sie dem Arzt ab. Sie gehören zu den moralischen Geboten für den Arzt und zu seiner moralischen Identität als Arzt. In der Übung der ärztlichen Tugenden verschmelzen Person und Beruf des Arztes im Streben nach dem vorgegebenen Ziel, nämlich zu heilen. Durch die Übung der ärztlichen Tugenden wird der Arzt, wie Aristoteles in der zuletzt zitierten Stelle sagt, eine gute Person und übt die medizinische Tätigkeit gut aus (N.E. 1106a, 21-23).

II. Zwecke der Medizin

a) Ziel und Zweck der Klinischen Medizin

Ich richte meine Untersuchung mehr auf Ziel und Zweck der Klinischen Medizin als der Medizin insgesamt. Unter Klinischer Medizin verstehe ich die Anwendung medizinischen Wissens und Könnens auf die Heilung kranker Personen hier und jetzt im persönlichen Arzt-Patient-Verhältnis. So definiert ist Klinische Medizin die Tätigkeit, die dadurch bestimmt ist, was Ärzte qua Ärzte tun. Das unterscheidet sie von anderen Personen, etwa medizinischen Grundlagenforschern, die zwar über medizinisches Wissen verfügen mögen, dieses aber eben nicht klinisch, d.h. an konkreten Patienten anwenden.

Klinische Medizin ist die Domäne des ärztlichen Berufsethos. Dessen eindeutig benennbares Ziel ist eine richtige und gute Heilmaßnahme und -entscheidung für einen konkreten Patienten. Darüber hinaus ist die Klinische Medizin auch das Werkzeug, mit dessen Hilfe letzten Endes auch die öffentliche Politik in das Leben Kranker eingreift. In der Gesundheitspolitik treten klinische und soziale Medizin miteinander in Beziehung. Gleichwohl bleiben Krankheit und Beschwerden allgemein menschliche Erfahrungen, wie breit wir medizinische Versorgung auch verstehen wollen oder wie sozial wir sie organisieren. Sie treffen konkrete Personen. Und das ist der Hauptgrund, warum Medizin und Ärzte existieren (Hippocrates 1972).

Daß ich paradigmatisch die Klinische Medizin in den Blick nehme, heißt nicht, daß ich die anderen medizinischen Bereiche vernachlässige. Jeder von ihnen hat seine eigenen Ziele, die ihn charakterisieren. So ist Sinn und Zweck der Grundlagenforschung der Erwerb grundlegenden biologischen Wissens über Krankheit und Beschwerden. Für public-health-Beamte liegt der Sinn ihres Tuns in der Gesundheit im Gesamt des staatlichen Gemeinwesens. Zu einem Teil der klinischen Medizin und des ärztlichen Bekenntnisses zum Beruf wird medizinisches Wissen, wenn es hier und jetzt eingesetzt wird zur Behandlung einer konkret leidenden Person. Denn genau dann dient medizinisches Wissen der Zweckerfüllung Klinischer Medizin, d.h. dem für den Patienten Guten.

Die Präventivmedizin hat ihren unterscheidenden Zweck in der Gesundheitsvorsorge und der Vermeidung von Krankheit. Sie zielt auf die Nutzung medizinischen Wissens zur Meidung von Krankheit und Erhaltung individueller Gesundheit. Zweck der Sozialmedizin ist die Gesundheit einer Bevölkerungsgruppe oder der ganzen staatlichen Gemeinschaft. Wird das Wissen und Können irgendeines anderen Medizinbereichs für das Wohl einer konkreten Person eingesetzt, dann fließen die Ziele dieses Bereichs mit denen der Klinischen Medizin ineinander. Aber für die Klinische Medizin gilt als Hauptzweck das für den Patienten Gute - sozusagen der primus-inter-pares-Zweck aller medizinisch-klinischen Tätigkeit.

Manches Hindernis, um zu einen Konsens über Sinn und Zweck der Medizin zu gelangen, entsteht, wenn diese Unterscheidungen nicht klar genug aufgezeigt werden (Pellegrino 2001). Der Trend, die Zuständigkeit und Definition der Medizin so weit auszudehnen, daß fast alle Lebensbereiche einbezogen werden, macht jeden Versuch vergeblich, Sinn und Zweck zu definieren. "Medikalisiert" werden heute auch etwa Gewalt, Kriminalität, Jugendkriminalität, sogar die Angst vor und das Leiden am normalen Leben. Eine solche Ausweitung medizinischer Zuständigkeit bringt die Zwecke in Widerspruch zueinander und vereitelt jede Aussicht auf eine Güterhierarchie unter den zahlreichen denkbaren Zwecken der Medizin (Nordin 1999).

b) Die Idee der Zwecke - neu bedacht

Nun wird es nötig, den Begriff "teleologische Ethik" (zweckorientierte Ethik) nach meinem Verständnis klarzustellen. Darunter verstehe ich keinerlei Art von Konsequenzialismus (Folgenabschätzung) oder des noch umfassenderen Utilitarismus. Erst recht ist kein bloß biologischer oder evolutionärer Teleologismus gemeint. Vielmehr geht es mir um eine Ethik auf der Grundlage eines Begriffs des Guten als telos (Ziel) moralischer Akte. "Das Gute" ist darin vorgegeben durch die Natur des in Frage stehenden Handelns, definiert als das, wozu dieses Handeln da ist (Veatch 1981; Cooper 1986; Hardie 1967). Tugend ist habituelle, also zu eigen gemachte Bereitschaft, so zu handeln, daß die Zwecke, die teloi der Medizin, am besten erfüllt werden. Die Tugenden stehen also im Dienst der Zwecke der Medizin. Eine solche Ethik ist die Antithese zu einer Ethik als sozialem Konstrukt. Für diese bleibt per definitionem das Gute der betreffenden Tätigkeit äußerlich, ohne direkten Bezug zu dem, was wir mit unserem Handeln erreichen wollen, zur Absicht, die wir damit verfolgen. Die Probleme mit einer sozial konstruierten Begrifflichkeit von Ziel, Gegenstand oder dem in der Medizin Guten habe ich an anderer Stelle ausgeführt (Pellegrino 2001, 169-180).

Die heutigen Auseinandersetzungen um die Ziele der Medizin wurzeln in einem vor langem vollzogenen Abschied vom klassisch mittelalterlichen Begriff des Ziels, seinem Bezug zum Guten und dem Verhältnis zwischen der Idee des Guten und der Ethik. Wenn Ziel und Zweck der Medizin neu definiert werden sollen, dann muß als erstes das antike Verständnis des Zieles aus dem Exil befreit werden, in das es die moderne und zeitgenössische Philosophie befördert hat.

Aristoteles beginnt die Nikomachische Ethik (NE 1094a 1-3) mit der Feststellung, das Gute sei, was alle Menschen wünschen und erstreben. Das Gute ist Ziel und Zweck oder telos menschlichen Tuns. Zweck ist, wozu etwas existiert; was eine Handlung zu bewirken bestimmt ist, wozu die Handlung gut ist. Ziel und Zweck liegen also in der Natur der Dinge selbst. Nicht wir erlegen den Dingen Zwecke auf. Dinge sind nicht gut, weil wir sie erstreben. Vielmehr erstreben wir sie, weil sie gut sind. Wir mögen etwas, z.B. die Medizin, auf bestimmte Ziele und Zwecke lenken, aber ob der Einsatz der Medizin dafür gut oder schlecht ist, hängt davon ab, ob der Einsatz uns den Zielen näherbringt, derentwegen die Medizin existiert und die sie qua Medizin vorgibt.

Um sein Verständnis von Ziel zu illustrieren, greift Aristoteles auf die Medizin zurück. Medizin, erklärt er, ist eine techné (Fertigkeit, Technik). Ihr Ziel ist Gesundheit, ganz so wie das Schiff das Ziel des Schiffsbaus ist (NE 1094a, 7-18). Diese Ziele sind zugleich das für alle Handlungen Gute, sind sie doch der Grund, weswegen Menschen diese Tätigkeit unternehmen. Tätigkeiten sind - kraft ihrer eigenen Natur - so strukturiert, daß sie auf das Ziel ausgerichtet sind, das sie definiert.

Aristoteles und Thomas von Aquin haben auf ganz ähnliche Weise das für den Menschen im weitesten Sinne Gute als Ziel menschlicher Tätigkeit herausgestellt. Beide gründeten ihre Moralphilosophie auf dem Guten als Zweck des menschlichen Lebens. Dieser Zweck bedeutete für Aristoteles letztendlich ein Leben im Einklang mit den natürlichen Tugenden, das zum Glücklichsein führe (NE 1088a, 13-19). Für den Aquinaten war es ein Leben in Einklang sowohl mit den natürlichen als auch den geistlichen Tugenden. Die Anthropologie des Aristoteles gründete allein auf der Vernunft, die Ethik des Aquinaten auf Vernunft und Offenbarung. In beiden Fällen, in der klassischen wie mittelalterlichen Begrifflichkeit sind aber Zweck und Tugend eng aufeinander bezogen. Insofern also Ziel und Zweck einer Tätigkeit erfaßt werden, werden damit zugleich auch die Tugenden greifbar, die zu diesen Zielen und Zwecken disponieren. Aristoteles wie Thomas von Aquin verankerten die Tugenden im Streben nach den Zielen und Zwecken des menschlichen Lebens und des Guten und schlugen damit die Brücke von der Metaphysik zur Ethik.

Die Geschichte der neuzeitlichen Erosion des antiken Tugendbegriffs und seiner teleologischen Perspektiven ist lang und verschlungen. MacIntyre (1966), Murdoch (1993/1999) und andere haben diese Geschichte im Detail beschrieben. Stationen auf diesem Weg sind die aufklärerische Verzückung angesichts autonomer, von Religion befreiter Moral, Kants Antwort auf die mittelalterliche Metaphysik und seine Verlagerung der Moralität in den guten Willen und einen kategorisch-rationalen Imperativ, der Ersatz der Vernunft durch Moralgefühl bei Hume und den britischen Empiristen und die Diskreditierung der Bestimmungen des Guten durch G.E. Moore und die meisten zeitgenössischen Philosophen. Vollendet wurde die Demontage durch viele postmoderne Denker mit der Zurückweisung angeblich überhöhter Moralbegründungen, ergänzt durch ihren Skeptizismus gegenüber der Möglichkeit einer der menschlichen Vernunft zugänglichen moralischen Wahrheit.

Für die Moralphilosophie, insbesondere die anglo-amerikanische Ethik-Theorie, hatte das alles tiefgreifende Folgen. Der Schwerpunkt, den das Gute und die Tugend eingenommen hatten, wechselte zu Rechten oder zur Aufwertung persönlicher Wahl oder zu gesellschaftlichen Präferenzen. Für nicht wenige ist Moralität eine Schöpfung unserer persönlichen Optionen oder des Konsenses einer liberalen Gesellschaft. "Der Philosoph soll nicht mehr vom Guten als etwas Realem und Transzendenten sprechen, sondern das vertraute Tun daraufhin analysieren, ob die Dinge mit Werten versehen werden. Wenn wir den endgültigen Bruch mit metaphysischer Ethik irgendwo ansetzen wollen, dann hier" (Murdoch, 1999).

c) Ziele und Zwecke der Medizin

Nach Aristoteles sowohl als auch nach Thomas von Aquin ist der letzte Zweck der Medizin ganz allgemein die Gesundheit (NE 1094a, 8). Leon Kass definiert den Zweck etwas spezifischer: als das gute Funktionieren des menschlichen Organismus (1981). Beide Definitionen sind allgemein genug, um sowohl die Klinische Medizin als auch die medizinbezogenen Grundwissenschaften zu umfassen, einschließlich der Sozial- und Präventivmedizin. Für unser Vorhaben, Ziel und Zweck der Klinischen Medizin herauszuarbeiten, d.h. Ziel und Zweck der Begegnung desjenigen, der Hilfe sucht, mit demjenigen, der die Hilfe zu leisten verspricht, müssen diese Definitionen weiter differenziert werden. Klinische Medizin ist zentriert auf das klinische Gegenüber desjenigen mit medizinischem Wissen (Arzt) und desjenigen, der dieses Wissens bedarf, um die durch Krankheit gestörte gute Funktion wiederherzustellen (Patient).

Dieses Ziel muß im gegebenen Fall konkretisiert werden, d.h. hier und jetzt muß für diesen Patienten eine medizinisch gute Entscheidung getroffen werden. Bei allen Unwägbarkeiten klinischer Medizin wird diese Entscheidung für diesen Zeitpunkt und eine überschaubare Zeit annähernd das für den Patienten Gute treffen. Dieses Gute bleibt nachstehend noch näher zu definieren. In diese Entscheidung und ihre Absicherung muß der Kliniker den Patienten einbeziehen. Sie ist soweit möglich eine gemeinsame Aufgabe. Das für den von Beschwerden Geplagten oder Kranken Gute ist das, was der Patient braucht und unmittelbar sucht: Hilfe, Zuwendung, Pflege, Heilbehandlung. Sie zu gewährleisten, ist dem Kliniker qua Kliniker aufgegeben. Das hat er während der ärztlichen Ausbildung wie auch aus Erfahrung gelernt.

Insoweit ist die Medizin eine techné. Aber sie ist auch mehr als eine techné. Klassisch bedeutet eine techné oder Kunst das praktische Wissen, wie etwas zu tun oder zu machen ist. Sie schließt aber auch die Kenntnis der Gründe und Prinzipien ein, die eine gute Erfüllung der Aufgabe voraussetzt. Eine Kunst ist etwas anderes als eine Wissenschaft, als richtiges Handeln gemäß der Wahrheit als solcher. Sie gewährleistet aber noch nicht das richtige Handeln als Mensch, kurz: gutes Handeln.

Wäre die Medizin nur eine Kunst, würden wir sie danach beurteilen, inwieweit ihre technischen Leistungen ihre Zwecke erfüllen. Dann wäre - in der klassischen Terminologie von Kunst oder techné der Arzt dem Künstler zu vergleichen. Er würde beurteilt nach seiner Beherrschung von Diagnose, Prognose, Therapie. Daß er selbst ein guter Mensch sei, wäre nicht gefordert. Es genügten die Tüchtigkeiten, die sein Kunsthandwerk verlangt. Und heute gibt es international einen zunehmenden Trend zu einer solchen Betrachtung der inzwischen im hohen Maße industrialisierten, kommerzialisierten und bürokratisierten Medizin.

Eine solche Teilansicht der Medizin und ihrer Ziele bloß als einer "Kunst" ist unhaltbar, sobald man das Arzt-Patient-Verhältnis in den Blick nimmt. Hier treten noch andere Phänomene zutage. Gewiß muß der Arzt seine techné beherrschen. Nicht minder aber muß er auch den spezifischen moralischen Anforderungen seines Ziels genügen. Die von der Klinischen Medizin geforderten Tugenden oder Tüchtigkeiten haben ein menschliches Gut zum Ziel: das für einen konkreten Patienten Gute. Deshalb kann die Medizin ihre Ziele nicht erreichen, wenn ihre technischen Leistungen nicht im Dienst eines umfassenderen moralischen Ziels erbracht werden, nämlich des für den Patienten Guten. (Das gleiche gilt für andere Berufe, für den Anwalt gegenüber seinem Mandanten, für den Priester gegenüber den ihm anvertrauten Seelen, für den Lehrer gegenüber seinen Schülern).

Ziel und Zweck der Medizin ist das Heilen, im wörtlichen Sinne das "Wieder-ganz-Machen". Heilen trägt beides in sich, die technische und die moralische Zielsetzung der Medizin, wenn sie im Interesse eines konkreten Patienten tätig wird, d.h. zu dem für diesen Patienten Guten. Wo immer möglich, zielt Heilen auf die Wiederherstellung der Gesundheit, also darauf, die seelischen und physischen Brüche in der Lebensbalance einer Person rückgängig zu machen. Ist das nicht möglich, tritt Linderung von Schmerz und Leiden und die Wiederherstellung von Funktionen in den Vordergrund. Pflichtziel der Medizin und nie vernachlässigbar bleibt in jedem Fall die Sorge um den Patienten. Wenn der technische Einsatz der Medizin den Fortschritt der Krankheit nicht aufhalten kann und der Tod unausweichlich ist, muß der Arzt dem Patienten helfen, mit der Tatsache des Sterbens fertigzuwerden. Er soll nicht die Angehörigen und Freunde oder den Seelsorger ersetzen wollen, soll aber ein Freund und Helfer bis zum Ende bleiben.

Das Moralobjekt medizinischen Handelns ist das für den Patienten Gute. Intentional zielt das Handeln auf dieses Gute. Das technisch und moralisch Gute sind in der Medizin so innig verschränkt, daß bereits der Versuch, sie zu trennen, der Praxis Gewalt antut. Weil das so ist, bedarf der Kliniker zu seiner Disposition sowohl intellektueller als auch moralischer Tugenden. Die medizinischen Tugenden umfassen sowohl die Techniken als auch die moralische Ausrichtung. In der klassischen Terminologie: die recta ratio factibilium und die recta ratio agibilium (Maritain 1942), es richtig machen und dabei richtig handeln.2

d) Das für den Patienten Gute - Ziel der Klinischen Medizin

Um diese Tugenden und die moralische Grundlegung, die sie verlangt, näher auszuleuchten, müssen wir das für den Patienten Gute genauer differenzieren. Das für den Patienten Gute ist ein Mischbegriff - eine unvermeidliche Folge der umfassenden Bedeutung von Heilen und der komplexen condition humaine. Heilen ist ein Gut, das die ganze Person erfaßt- psychosozial, biologisch, personal und spirituell. Jede dieser existentiellen Dimensionen des Menschen kann in unterschiedlichem Grad durch Beschwerden oder Krankheit verletzt sein. Idealtypisch muß jede geheilt werden, wenn die Person als Ganze geheilt werden soll.

Der Hippokratische Eid spricht vom Heilen nur in sehr allgemeiner Weise: "Meine Verordnungen werde ich nach Kräften und gemäß meinem Urteil zum Nutzen der Kranken einsetzen, Schädigung und Unrecht aber ausschließen." (Hippocrates b 1972: 299).

Soll diese Definition als Leitfaden medizinischer Maßnahmen und Moral dienen, muß sie weiter spezifiziert werden. Hierzu haben Thomasma und ich vier Ebenen genannt, auf denen Heilung erfolgt (Pellegrino und Thomasma 1987). Auf der ersten Ebene geht es um das objektiv medizinisch-physiologische Wohl. Der Patient kommt ja wegen bestimmter Beschwerden. Die zweite - personale - Ebene erfaßt die subjektive Wahrnehmung des Patienten, seine Erwartung, ob und wie das medizinisch Gute ihm hilft. Dritte Ebene: Das für den Patienten als Mensch Gute, wie es für alle Menschen aufgrund ihres Menschseins gut ist. Vierte Ebene: Das spirituell Gute, also in Bezug auf eine transzendente Wirklichkeit, einen den Menschen überschreitenden Urgrund des Guten, dies allerdings mit Respekt vor der Weltanschauung des Patienten. Es ist ja klar, daß jeder Patient hier seine eigenen Überzeugungen hat. Hieraus ergibt sich seine besondere Ordnung und Reihenfolge der genannten Güter.

Für manche geben diese vier Ebenen auch eine Rangfolge in der Güterordnung an.. Für andere nicht. In moralischer Hinsicht bleibt das Verhältnis der Güterebenen zueinander dem jeweiligen Patienten überlassen. Man darf ein Gut weder zu Lasten eines anderen übertreiben noch zu dessen Gunsten vernachlässigen. Es würde die Einheit des für den Patienten Guten entstellen. Das Gut jeder Ebene sollte bedacht und berücksichtigt werden, soweit die Umstände des konkreten klinischen Falles es erlauben.

Ebene 1 - das medizinisch Gute: Das medizinisch Gute ist die Leistung der rein medizinischen Kunst, des rein Handwerklichen. Sein Zweck ist die Wiederherstellung physiologischer und psychischer Funktion, die Linderung von Schmerzen und Leiden durch Medikation, chirurgischen Eingriff, Psychotherapie, usw. Auf dieser Ebene hängt das für den Patienten Gute am Wissen und Können des Arztes, soweit sie eindeutig zur medizinischen techné gehören.

Das medizinisch Gute muß aber in ein angemessenes Verhältnis mit dem für den Patienten Gute auf den anderen Ebenen gebracht werden. Sonst kann es schädlich sein. Was rein medizintechnisch gut ist, kann gegen das für den Patienten Gute, wie er selbst es wahrnimmt, verstoßen und insofern eben nicht "gut" sein. Die Zeugen Jehovas mögen eine medizinisch indizierte Bluttransfusion durchaus als etwas medizinisch an sich Gutes anerkennen können. Auf der spirituellen Ebene ist es für sie aber nicht gut.

 Für manchen Anhänger von Naturheilverfahren vermögen Antibiotika zwar eine Lungenentzündung zu heilen. Etwas umfassend für den Patienten Gutes sähe er darin aber nicht. Ein säkularisierter Humanist wiederum dürfte ebendies als das einzig "Gute" an einer medizinischen Behandlung wahrnehmen, als die Erfüllung dessen, was er schätzt.

Ebene 2 - Das Gute, wie der Patient es wahrnimmt: Das medizinisch Gute sollte dem Patienten mit seiner facettenreichen Einschätzung dessen, was für ihn gut ist, entgegenkommen. Hier sind wir mit den persönlichen Präferenzen des Patienten konfrontiert, mit seiner Wahl, seinen Wertungen, und der Art, wie er zu leben wünscht. Er mag zwischen Vor- und Nachteilen des vorgeschlagenen Eingriffs anders abwägen. Solche Einschätzungen und Wertungen sind ureigenste Sache jedes Patienten und können weder vom Arzt noch den Angehörigen noch von sonst jemandem aufgedrängt werden. Sie hängen ab vom Wechselspiel zwischen Alter, Geschlecht, Lebenssituation, Beschäftigung, usw., die den Lebenslauf des konkreten Patienten ausmachen.  Um dem Guten, wie der Patient es wahrnimmt, gerecht zu werden, muß sich das medizinisch Gute einordnen ins Ganze seines Lebensentwurfs. Das im strengen Sinne medizinisch oder physiologisch Gute kann an der Vorstellung des Patienten von dem für ihn Guten vorbeigehen. Es kann auch mit seiner Vorstellung davon, was allgemein für Menschen gut ist, in Konflikt stehen.

Ebene 3 - das allgemein für Menschen Gute: Das medizinisch Gute und was der Patient für ein gutes Leben hält, werfen die Frage nach dem grundsätzlich für Menschen Guten auf. Damit ist das Gute gemeint, in dem Aristoteles und Thomas von Aquin als das telos des menschlichen Lebens sahen. Auf dieser Ebene geht es um das Gute, soweit es spezifisch das Menschsein betrifft: Selbsterhaltung, Wahrung der Würde der menschlichen Person, Achtung vor seiner Vernunftbegabung als Geschöpf, das seinen Zweck in sich selbst hat  und nie nur Mittel sein darf, dessen Wert unveräußerlich ist, unabhängig von Besitz, Bildung, Lebensstellung, usw. Für den Arzt ist der Patient ein Mitmensch, dem er in Solidarität verbunden ist - in wechselseitiger Achtung.

Auf dieser Ebene haben geläufige medizinethische Prinzipien ihre philosophische Wurzel. In der amerikanischen Bioethik gelten als prima-facie-Prinzipien, die sich aus allgemein akzeptierter Moral ergeben: Autonomie, Wohltätigkeit, Nichtschaden und Gerechtigkeit (autonomy, beneficience, non-maleficience, justice; Beauchamp and Childress 2001). Demnach scheint es nicht ausgeschlossen zu sein, daß sich mit einem Wandel der allgemeinen Moral auch diese Prinzipien ändern. Das ist für Naturrechts-Ethiker unhaltbar. Das für den Menschen Gute ist nicht Gegenstand sozialer oder kultureller Übereinkunft oder Konstruktion, vielmehr mit der menschlichen Natur mitgegeben. Das verlangt das Naturrecht.

Im Arzt-Patienten-Verhältnis müssen das medizinisch und das subjektiv für den Patienten Gute Hand in Hand gehen mit dem allgemein für Menschen Guten. Das muß im Blick bleiben und gewahrt werden. Der Arzt, der die Vorstellung des Patienten von dem, was gut ist, übergeht, verletzt das Gut der Selbstbestimmung des Patienten als Vernunftwesen. Einem Armen die Behandlung verweigern verkennt dessen Wert und verstößt gegen die Menschenwürde. Desgleichen die Abwertung von Behinderten. Patienten experimentellen Risiken um fraglicher Vorteile willen aussetzen, selbst mit Zustimmung des Patienten, verletzt die Pflicht, Gutes zu tun und nicht zu schaden

Ebene 4 - Das spirituell Gute: Für viele Patienten stellt die oberste Stufe des Guten ihr spirituelles Wohl dar. Auch das ist im Arzt-Patienten-Verhältnis zu beachten. Sie glauben - jeder auf seine Weise - an ein Jenseits, auf das ihr Leben hinzielt. Das kann, muß aber nicht religiös verstanden sein. Die meisten Patienten sind von der Existenz einer "spirituellen Dimension" überzeugt , wie immer sie das auch ausdrücken mögen. Die meisten, wenn auch natürlich nicht alle, sehen hier ein oberstes Gut für sich und die anderen. Der spirituelle Bereich prägt für viele den letzten Sinn ihres Lebens. Nicht wenige Menschen bringen hierfür oft größte Opfer. Für viele ist es eine bestimmte Religion mit einer Reihe spezifischer Glaubensinhalte und -lehren. Sie haben für viele Entscheidungen ein großes Gewicht. Das gilt natürlich ganz besonders für Entscheidungen am Ende des Lebens.

Für religiös Gläubige muß sich das Gute auf den drei zuvor beschriebenen Ebenen dem spirituellen Wohl unterordnen. Auch für den Zeugen Jehovas mag eine Bluttransfusion oder für die Katholikin die Abtreibung des genetisch geschädigten Fötus ärztlicherseits "indiziert" sein - oder für den orthodoxen Juden der Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen. In all diesen Fällen diente das bloß medizinisch Gute allerdings nicht zur Heilung, denn es täte der Vorstellung des Patienten von dem für ihn höchsten Guten Gewalt an. Ähnlich hat ein Hindu, ein Muslim, ein Buddhist und auch der säkulare Humanist seine Vorstellung von spirituellem Wohl, die bei einer klinischen Entscheidung, wenn sie dem Gesamtwohl des Patienten dienen soll, zu berücksichtigen ist.

e) Schwierigkeiten

In vielen klinischen Situationen mag es unmöglich sein, dem für den Patienten Guten auf allen Ebenen gerecht zu werden und klare moralische Prioritäten zu setzen. Zum Beispiel bei noch nicht entscheidungsfähigen oder retardierten Kindern, bei Alten oder Patienten im Dauerkoma. Hier fehlt oft jegliches Wissen über persönliche Präferenzen und Glaubensüberzeugungen des Patienten. Gleichwohl gebietet das klinische Ethos, dem Gesamtwohl des Patienten, d.h. dem für ihn Guten auf den Ebenen, auf denen es ihm besonders wichtig ist, so nahe zu kommen, wie die Umstände es erlauben.  

Auf zwei Ebenen bleibt allerdings auch dann das Gute zugänglich, nämlich das medizinisch Gute und das grundsätzlich für Menschen Gute. Präferenzen und andere subjektive Vorgaben sind bei Kleinkindern nicht auszumachen. Ersatzweise müßte man auf Vorwissen über persönliche oder geistliche Präferenzen des Patienten zurückgreifen. Es dürfte aber kaum möglich sein, die Vereinbarkeit mit dem rein medizinisch Guten ausgiebig zu untersuchen. Ersatzweise Auskünfte, die einen mutmaßlichen Willen stützen, müssen ihrerseits frei sein von etwaigen Interessenkonflikten. Zu guter Letzt bleibt die Verantwortung für das, was für den Patienten zu tun ist, beim Arzt. Deshalb muß er gerade bei den schutzlosesten Patienten der Wahrer ihrer Interessen, ihres Wohls und des für sie Guten sein. Verschärft kommen diese Schwierigkeiten bei Neugeborenen und Kleinkindern zusammen.

Ein weiterer Gesichtspunkt kommt, zumal in der pluralistischen Gesellschaft, hinzu. Bis zu einem gewissen Grad können die Präferenzen, die Weltanschauung und religiöse Überzeugung eines bestimmten Patienten in Konflikt geraten mit der Überzeugung des Arztes von dem, was für den Patienten gut ist. Der Vorrang des für den Patienten Guten gemäß dessen eigener Sicht habe ich schon betont. Dennoch muß auch das für ihn Gute, wie der Arzt es sieht, respektiert werden. Der Vorrang des Guten gemäß Einschätzung des Patienten setzt das Gewissen des Arztes nicht außer Kraft - weder sein Urteil darüber, was gute Medizin ist, noch seine Einstellung zu Lebensfragen und das spirituelle Wohl für sich selbst und den Patienten. Konfliktlösungen in diesem bedeutsamen Bereich sind oft Gegenstand von Ethik-Konsultationen.

Welchen spirituellen oder religiösen Glauben der Patient auch haben mag, der Arzt muß entscheiden, ob dies zu berücksichtigen mit seiner Auffassung von dem zu vereinbaren ist, was medizinisch gut ist. Vom Arzt kann nicht verlangt werden, seine persönliche und wissenschaftliche Integrität jeder Patientenvorstellung zu opfern. Es gibt Patienten, die unter Heilung die Erfüllung persönlicher Wünsche verstehen. Persönliche Präferenzen können auch die Aufgabe medizinischer Heilmaßnahmen konterkarieren. Vom Arzt verlangt ist eine Sensibilität für Präferenzen des Patienten. Er muß anerkennen, daß es sie gibt und dass sie je nachdem wichtig sind. Dann muß er sie gewissenhaft prüfen und beurteilen, ob er darauf eingehen und dabei seine Objektivität und Professionalität integer bleiben kann.

Im Zuge des zunehmenden ethnischen, kulturellen und spirituellen Pluralismus in unserer Gesellschaft wird die ärztliche Pflicht noch dringender, der Vielfalt an Glaubensüberzeugungen und Wertvorstellungen, die ihnen begegnen können, Aufmerksamkeit zu schenken. Hierzu hat in fast einem Dutzend amerikanischer medizinischer Fakultäten die John Templeton Foundation ein Programm "Spiritualität in der Medizin" etabliert. Bei den Medizinstudenten fördert das Programm interkulturelle Sensibilität in der Begegnung mit ihren Patienten.

"Spirituell" und "religiös" sind nicht synonyme Begriffe. Mit Spiritualität, so wie ich das Wort verwende, ist ein Wesen, eine Kraft, Macht oder Quelle außerhalb und jenseits des materiellen Bereichs menschlichen Daseins und der sichtbaren Umwelt gemeint. Religion bezeichnet demgegenüber eine spezifische Form der Spiritualität: Kern einer Religion ist die Existenz einer göttlichen Macht, der - in vorgeschriebenen Formen - Anbetung geschuldet ist.

Heute bezeichnen sich in Umfragen beispielsweise viele Leute selbst als "spirituell, aber nicht religiös". Viele bezeichnen sich auch als religiös, gehen aber weder zur Kirche noch beten sie regelmäßig. So fallen heute unter beide Begriffe höchst unterschiedliche Glaubenshaltungen. Im Leben der Leute spielen sie aber eine wichtige Rolle, nicht zuletzt für die Frage, wie sie medizinisch behandelt werden wollen. Sie jeweils zu verstehen und zu respektieren und nicht vor ihnen zu kapitulieren, ist ein echter, wenn auch delikater Bestandteil beruflicher Ethik.

Wenn weitere klinische Maßnahmen als zwecklos erachtet werden, tauchen ähnliche Schwierigkeiten auf. Bei jeglicher Entscheidung, was denn nun medizinisch gut ist, steht  dann diese Feststellung im Mittelpunkt, insbesondere bei Entscheidungen, lebensverlängernde Maßnahmen erst gar nicht zu ergreifen oder sie zu beenden. Das Urteil Zwecklosigkeit klinischer Maßnahmen ist sozusagen per definitionem das Ergebnis einer Verhältnis-Abwägung zwischen Wirksamkeit, Vorteil und Belastung. Wirksamkeit ist ein objektives Urteil dahingehend, ob die Behandlung den natürlichen Krankheitsverlauf  zu ändern vermag; mit Vorteil ist gemeint, daß nach Einschätzung des Patienten oder nach seiner mutmaßlichen Auffassung die Behandlung für ihn noch zu etwas gut ist; unter Belastung fallen die physischen, emotionalen und finanziellen Kosten der Behandlung.

Damit die Behandlung "sich lohnt", muß zwischen Wirksamkeit, Vorteil und Belastung ein annehmbares Verhältnis bestehen. Gleichwohl kann der Kalkül zu ganz verschiedenen, sogar entgegengesetzten Schlussfolgerungen führen, was die Frage anlangt, ob es moralisch zulässig ist, eine Behandlung abzubrechen3 (Pellegrino 2000). Was unter diesen Umständen für den Patienten gut ist, darüber können der Arzt, der Patient oder seine Angehörigen sehr verschiedener Meinung sein.

Moralisch gesehen besteht für den Arzt keinerlei Verpflichtung zu zwecklosen oder unverhältnismäßig belastenden Behandlungen. Das hieße nicht Gutes tun, sondern schaden. Aber nicht selten kommt aus den Familien von Patienten der Wunsch, daß "alles" getan werde, Herz-Kreislauf-Wiederbelebung eingeschlossen, selbst wenn die Dinge so liegen, daß es zu keinem Erfolg führt. Derlei Konflikte bei der Deutung, worin das für den Patienten Gute besteht, sind heute im Klinikalltag häufig. Und es sieht so aus, daß sie in unserer moralisch vielsprachigen Gesellschaft noch weiter zunehmen.

Diese Schwierigkeiten verlangen mit Nachdruck nach mehr Klarheit im Prozeß klinisch-ethischer Entscheidungsfindung. Es bedarf einer eindeutigeren Definition der Ziele der Medizin, die sich auch in diesen Schwierigkeiten bewährt, ohne die Bedeutung einer solchen Definition zu trivialisieren. Ohne eindeutigere Ziele der Medizin würde tatsächlich der Entscheidungsprozeß ethisch noch schwieriger als er schon ist. Wählen können und die richtige Wahl treffen sind zweierlei (Taylor 1980). Unerhörtes Wählen des Falschen und Wahlkonflikte sind in der klinischen Ethik ein Dauerproblem.

f) Tugenden in einer praxisbezogenen Ethik - Medizin als Praxis

Über Tugenden wird meistens mit Blick auf Ethik im allgemeinen diskutiert. Es geht um Beziehung zwischen Tugend und dem Guten im menschlichen Leben, dem, was für Menschen gut ist. Innerhalb einer spezifischen Tätigkeit wie der Medizin hat Tugend - in einer nach meinem Sprachgebrauch speziellen Ethik - eine engere, eine existentielle, wenn nicht essentielle Bedeutung. Zu Tugenden als Bestandteil des Praxis-Begriffs sind MacIntyres Arbeiten hilfreich. Versuchsweise liefert er folgende Definition der Tugend:

"Eine Tugend ist eine erworbene menschliche Eigenschaft, deren Besitz und Ausübung uns im allgemeinen in die Lage versetzt, die Güter zu erreichen, die einer Praxis inhärent sind, und deren Fehlen wirksam verhindert, solche Güter zu erreichen." (1984; 191)4

Und "Praxis" definiert MacIntyre so:

"Mit "Praxis meine ich jede kohärente und komplexe Form sozial begründeter, kooperativer menschlicher Tätigkeit, durch die dieser Form von Tätigkeit inhärente Güter im Verlauf des Versuchs verwirklicht werden, jene Maßstäbe der Vortrefflichkeit zu erreichen, die dieser Form von Tätigkeit angemessen und zum Teil durch sie definiert sind, mit dem Ergebnis, daß menschliche Kräfte zur Erlangung der Vortrefflichkeit und menschliche Vorstellungen der involvierten Ziele und Güter systematisch erweitert  werden." (1984; 187)5

Die Medizin gilt für MacIntyre (1984; 187) In diesem Sinne als Praxis. Eigen sind ihr ein inhärentes Gut, eine Reihe von Regeln und Pflichten sowie bestimmte zur Erreichung des inhärenten Gutes unverzichtbare Tugenden, ohne die das Gut unerreichbar bleibt. Die zur Medizin gehörigen Tugenden sind die zur Verwirklichung des inhärenten Gutes erforderlichen Maßstäbe der Vortrefflichkeit. Und dieses inhärente Gut ist, wie zuvor beschrieben, das für den Patienten Gute.

Ganz allgemein trifft MacIntyres Definition von Praxis auf die medizinischen Berufe zu. Demnach gibt es für einen Heilberuf ein spezifisches Ziel oder Gut, welches die Berufspraxis definiert. Das Ziel wird auf vortreffliche Weise verwirklicht, wenn die Praxis vortrefflich ausgeübt wird. Und zugleich macht es den beruflich Handelnden zu einem guten Vertreter des Berufs. Das den medizinischen Berufen inhärente Gut ist Heilen: helfen, pflegen, behandeln und Kranken das Leben erträglich machen - alles Handlungsweisen zum Wohl des Patienten, die sich zusammenfassen lassen unter dem weiteren Begriff Heilen im Sinne von soweit wie möglich wieder ganz machen, Funktion wiederherstellen, Krankheit behandeln, Schmerzen und Leiden lindern. Der Arzt und die Krankenschwester, die das gut machen, leisten gute Arbeit und werden eben dadurch zum guten Arzt und zur guten Krankenschwester. Das medizinischer Praxis inhärente Gut Heilung muß um seiner selbst willen angestrebt werden und nicht wegen externer Güter, da damit Hand in Hand verwirklicht werden mögen wie Verdienst, Selbstzufriedenheit, Prestige oder Macht. Aus dem richtigen Grund die richtigen Tugenden ausüben macht die Schwester oder den Arzt zu einem guten Menschen und bringt sie oder ihn dazu, ihre Arbeit gut zu machen (NE 1106a, 22-24).

g) Berufsethos und Bekenntnis zum Beruf

Wenn wir es nicht dabei bewenden lassen, berufliche Tugenden für Charakterzüge zu halten, die Bewunderung verdienen, müssen wir sie an etwas festmachen, was über subjektive Meinung hinausgeht. Im Arzt-Patienten-Verhältnis, im Verhältnis zwischen einem, der krank ist, und einem, der sich zu seiner beruflichen Aufgabe zu heilen bekennt, treten drei existentielle Phänomene hervor, die für die ärztlichen Tugenden bestimmend sind. Die drei zentralen Phänomene sind: die Tatsache Krankheit, der Akt des Bekenntnisses und die medizinische Kunst (Pellegrino 1976; 1979; Pellegrino and Thomasma 1981). Ethisch bestrachtet ist der Bekenntnisakt der moralische Antrieb, der die Tugenden hervorbringt, deren der gute Arzt bedarf.

An der Tatsache Krankheit ist nicht vorbeizukommen. Sie gehört zur Welt der Fakten: Die kranke Person befindet sich in einem Zustand der Verletzlichkeit, der Hilfsbedürftigkeit, der Abhängigkeit von anderen, die diese Hilfe leisten können und über das hierzu technische Wissen verfügen. Der Patient ist ausnutzbar, hat Angst, hat oft auch Schmerzen oder leidet sonstwie. Als Mensch ist der Patient bis zu einem erheblichen Maß darin eingeschränkt, die Ziele seines Lebens, wie er sie sieht, zu verfolgen.

In diesem verletzlichen Zustand begegnet ihm der Arzt oder der Angehörige eines anderen Heilberufs und bekennt sich offen und freiwillig zu diesem Beruf, erklärt sich als jemand, der helfen kann und helfen will, d.h.: Er vollzieht einen Bekenntnisakt. Dieser Bekenntnisakt erfolgt in dem Augenblick des Hilfeangebots. Genau das bedeutet etymologisch "to be a professional" (professionell sein, einer Profession angehören). Dieser Bekenntnisakt erfolgt täglich, in der Begegnung mit jedem Kranken. Somit ist es ein persönlicher Bekenntnisakt - ein Versprechen gegenüber einer konkreten Person. In einer mehr öffentlichen und allgemeinen Form wird das Bekenntnis zu Beginn und zum Abschluß der medizinischen Ausbildung abgelegt. Das ist ein Akt öffentlichen Versprechens. Dieser Akt des Versprechens führt den Absolventen in den Arztberuf. Weit mehr als die Tatsache, daß er nun über das Fachwissen verfügt, dass er einen Abschluß in Medizin vorweisen kann, dass er Praxiserlaubnis erhält (Freidson 2001: 12). Diese soziologischen Bestimmungen von Professionalität konkretisieren sich in ihrer grundlegend moralischen Bedeutung für jeden Arzt in seinem Hilfeversprechen gegenüber einem konkreten hilfsbedürftigen Menschen.

Auf Seiten des Patienten weckt der Bekenntnisakt die Erwartung, daß jemand, der sich so bekennt, über das erforderliche Wissen verfügt und dieses Wissen im Interesse des Hilfsbedürftigen einsetzt. Denn seitens des Arztes signalisiert der Bekenntnisakt die Offenheit, mit der er eine auf Vertrauen gründende Vereinbarung eingeht. Gegenstand dieser Vereinbarung ist die versprochene Erfüllung des vom Patienten erwarteten Fachwissens und seines Einsatzes zum Wohl des Patienten. Indem sich der Patient dem Doktor oder der Krankenschwester anvertraut, akzeptiert er deren Versprechen und erwartet dessen treue Erfüllung. Vom Patienten verlangt die Vereinbarung, dem Arzt die Erfüllung seiner Vertragspflicht zu erleichtern, ihn in seiner Bemühung mindestens nicht zu frustrieren.

Die medizinische Kunst besteht in der Durchführung der vom Patienten erwarteten Heilmaßnahme, um das Gute zu erlangen, das er sucht (Hilfe, Pflege, Behandlung etc.) und das ihm mit dem Bekenntnis des Arztes versprochen wurde. Diese Kunst schließt die vielen verfügbaren Formen moderner Therapie ein - diagnostische Verfahren, Medikation, Chirurgie, Psychotherapie, usw. In welcher Form auch immer, die Heilkunst muß sicher, kompetent und mit Respekt vor dem Patienten ausgeübt werden. Insofern ist Kompetenz ein wesentlicher Bestandteil der Verwirklichung des der klinischen Arzt-Patient-Beziehung inhärenten Guten.

Zusammenfassend: Die medizinische Kunst - das was der Arzt tatsächlich tut, um das der Medizin inhärente Gut zu verwirklichen - verlangt beides, moralisch und technisch richtiges Entscheiden und Handeln. Das im Bekenntnisakt gegebene Versprechen umfaßt beides. Es setzt also die moralischen und die intellektuellen Tugenden voraus.

Die täglichen individuell privaten medizinischen Akte des Versprechens gegenüber jedem Patienten sind eingebettet im öffentlicheren Akt des Versprechens oder des Bekenntnisses bei der ärztlichen Approbation. Die Gelöbnisse mögen heute inhaltlich deutlich voneinander abweichen, aber ihre symbolische und existentielle Bedeutung bleibt die gleiche (Orr, Pang, Pellegrino, and Siegler 1997). Ärztliche Berufs-Gelöbnisse sind öffentliche Selbstverpflichtungserklärungen, das erworbene medizinische Wissen nicht für selbstsüchtige Eigeninteressen einzusetzen. Mit diesem Gelöbnis tritt, wer die medizinische Ausbildung abgeschlossen hat, in den Beruf ein. Der Ausbildungsabschluß als solcher macht aus dem Kandidaten noch keinen professionellen Arzt.

Allerdings weckt nach der Teilnahme an der öffentlichen Erklärung jeder Arzt in der Öffentlichkeit und im sozialen Umfeld Erwartungen. Schon der Kandidat kann sich nicht auf innere Vorbehalte berufen, die er gegenüber dem Versprechen hegt, das er ablegen soll. Es bindet auch ihn, es sei denn, er setzt sich von seinen Kollegen ab. Und zwar öffentlich. Dann muß er seinen Dissens offenbaren, so daß er nicht für jemand gehalten wird, der gebunden ist, sein Wissen zum Wohl der anderen zu nutzen.

h) Moralische Tugenden, die der Bekenntnisakt mit sich bringt

In seiner existentiellen Notlage bleibt dem Patienten gar nichts anderes übrig als dem Arzt charakterlich zu trauen. Er mag Referenzen suchen, nach der Reputation oder anderen Auskünften fragen, am Ende muß der Patient darauf vertrauen, daß mit Blick auf sein Wohl der Arzt es gut macht. Das wiederum berechtigt den Arzt nicht zu autoritärem Paternalismus. Vielmehr erlegt es ihm die Pflicht auf, seine Vertrauenswürdigkeit unter Beweis zu stellen. Vertrauenswürdigkeit ist eine Tugend, die der Bekenntnisakt und die Umstände, unter denen er vollzogen wurde, mit sich bringt: eine zentrale und unverzichtbare ärztliche Tugend.

Was heißt "Tugend, die der Bekenntnisakt mit sich bringt"? Gemeint ist es in dem Sinne, wie eine Schlußfolgerung aus den Prämissen folgt. Aus dem realen Vollzug des Bekenntnisaktes können bestimmte Tugenden gefolgert werden. Erweisen sie sich nicht, war der Bekenntnisakt sinnlos. Eine solche Ableitung gilt auch für andere Tugenden, die zur Erreichung des im Arzt-Patient-Verhältnis inhärent Guten erforderlich sind. Zu den wichtigsten gehören Wohlwollen, ein angemessenes Maß an Selbstlosigkeit, intellektuelle Redlichkeit, Empathie, Mut und Demut. Jede dieser Tugenden disponiert den Arzt so zu handeln, daß das für den Patienten Gute unter den gegebenen Bedingungen seiner physischen, physiologischen und emotionalen Verfassung im höchstmöglichen Grade erstrebt wird.

Wohlwollen beispielsweise geht über Nichtschaden weit hinaus. Nichtschaden ist das blanke Minimum, das moralische Verantwortlichkeit verlangt,. Es ist sozusagen nur das, was das Gesetz verlangt. Wohlwollen verlangt auch den Einsatz für das Wohl des Patienten, wenn einmal das Eigeninteresse des Arztes zurückstehen muß, wenn damit für ihn etwa ein gewisser Verlust an Zeit, Annehmlichkeit oder Geld verbunden ist. Nicht absoluter Altruismus ist hier gefordert, aber doch mehr als jemandem zuzumuten ist, der keinen professionellen Anspruch erhebt.

Ähnliches gilt für die intellektuelle Redlichkeit. Sie verlangt, die Grenzen des eigenen Wissens und Könnens anzuerkennen. Nur dann können Patienten sich wirklich an einer Entscheidung beteiligen und den "informed consent" äußern, informiert zustimmen.

Die Tugend der Mitleidsfähigkeit oder Empathie ist in der persönlichen Zuwendung gefordert. Empathie verändert die Art der Zuwendung. Man versetzt sich selbst in die Lage des Patienten und nimmt Anteil an am Gefühl der Einzigartigkeit seiner mißlichen Situation.

Mut braucht der Arzt um klarzustellen, daß die Behandlung nicht beeinträchtigt wird durch die Furcht vor Ansteckung. Oder wenn es darum geht, für den Patienten einzustehen gegen Widerstände von Institutionen der Gesundheitspolitik oder seitens der Verwaltung, die man dem Patienten gegenüber für ungerecht hält - und wenn man dann wegen dieses Eintretens für ihn selbst Kritik einheimst.

Demut verhindert die Versuchung zu glauben, die Riesenmacht der Medizin, ob um zu heilen oder zu schaden, sei dazu da, das Selbstbild, die Interessen oder den Stolz des Arztes zu nähren. Demut erkennt die Begrenztheit der ärztlichen Kunst an und ist das Antidot zur Unart ärztlicher Arroganz, die im Patienten den Menschen übersieht.

Eine weitere, im heute eher selbstsüchtigen Klima wesentliche Tugend ist das Zurückstellen des Eigeninteresses, bis zu einem gewissen Grad jedenfalls. Ärzte verwalten medizinisches Wissen treuhänderisch. Ihnen ist ein  gesellschaftliches Mandat übertragen, das ihnen, schon ehe sie voll ausgebildet waren, erlaubte, menschliche Körper zu zerschneiden, an der Pflege von Patienten teilzunehmen und Behandlungen vorzunehmen, wenn auch unter Aufsicht. Obwohl die Teilnahme von Studenten und Praktikanten durchaus die Patientenfürsorge belasten, den Patienten Unannehmlichkeiten bereiten und die Morbität erhöhen kann. Die Fürsorgeverantwortung gegenüber den Kranken ist deshalb eine der Gesellschaft geschuldete Verpflichtung. Sie gehört zu der gesellschaftlichen Vereinbarung - als  Antwort auf die öffentlichen Zustimmung zum klinischen Ausbildungsauftrag.

Das dürften wichtigsten moralischen Tugenden sein. Sie sind in fast jedem Fall gravierender Krankheit gefordert, wenn das dem klinischen Betrieb inhärente Gute erreicht werden soll (Pellegrino and Thomasma 1993). Noch weitere Tugenden treten zutage, wenn der Arzt über die Tugend praktischer Klugheit oder phronesis verfügt.  Damit aber betreten wir schon das Feld der intellektuellen Tugenden. Sie sind maßgebend für rein medizinisch gesundes, sicheres und kompetentes Entscheiden und Handeln. Diese Tugenden disponieren zur Wahrheit. Heute sprechen einige deshalb von "epistemologischen" Tugenden (Zagzebski 1996; Hockaway 1994).

i) Die intellektuellen Tugenden - das berufliche Tun und die Kunst des Berufs

Aristoteles und nach ihm Thomas von Aquin haben die enge Verbindung zwischen dem Wahren und dem Guten herausgestellt. Für Aristoteles gibt es keine Willensentscheidung "...ohne Verstand und Denken einerseits und sittlichen Habitus andererseits. Denn richtiges und verkehrtes  Handeln ist ohne Denken und ein Verhältnis zur Sittlichkeit unmöglich" (NE 1139a, 33-35).

Aristoteles listet fünf intellektuelle Tugenden auf, die auf die Wahrheit bezogen sind: "...Kunst, Wissenschaft, Klugheit, Weisheit und Verstand" (NE 1139b, 16-18).

Bei diesen Wörtern haben sich seit Aristoteles’ Zeiten gewisse Bedeutungsverschiebungen ergeben (Ross 1959: 209-215). Mit Wissenschaft gemeint war i.S. induktiven, schlußfolgernden Denkens "das Maß an Fähigkeit zu beweisen" (NE 1139b, 31). Kunst ist auf das Herstellen gerichtete Vernunft: die Kunst des Hervorbringens (NE 1140a, 1-23). Gemeint ist kunstfertige Produktion (poiesis - Anm. d. Üb.), im Gegensatz zum Handeln (praxis - Anm. d. Üb.). Zum richtigen Handeln disponiert die Klugheit oder phronesis: das Vermögen, sich für das Tun zu entscheiden, welches das Leben gut und glücklich macht (NE 1140a, 24-30; b, 1-30).

Für Aristoteles leuchtet der intuitiven Vernunft die universale Wahrheit von selbst ein, während die Tugend der theoretischen Vernunft, nämlich Weisheit und Verstehen, für die höchste Wissenschaft disponiert, die sich auch mit den "höchsten Dingen" beschäftigt. Im Unterschied zur Weisheit ist die Klugheit die Tugend der praktischen Vernunft, die sich mit dem Handeln beschäftigt (NE 1141a, 1-15).

Thomas von Aquin listet die intellektuellen Tugenden, Aristoteles folgend, so auf: Weisheit, Wissenschaft, Kunst, Verstehen und Klugheit. Sie sind keine moralischen Tugenden, sondern die Tugenden des spekulativen Intellekts zur Erfassung von Wahrheit. Intellektuelle Tugenden mag jemand besitzen und sie gleichwohl nicht zum Guten einsetzen (S.T. I-II, Q 57 art.1, 2). Thomas nimmt eine sorgfältige Unterscheidung zwischen intellektuellen und moralischen Tugenden vor (S.T. I-II Q. 58), legt aber wie Aristoteles besonderen Nachdruck auf die intellektuelle Tugend der Klugheit, d.h. der praktischen Weisheit (bei Aristoteles phronesis). Für Kliniker sind die intellektuellen Tugenden insgesamt wichtig für die technische Qualität der auf das Gute gerichteten notwendigen Behandlungsmaßnahmen. Die Tugend, auf die es für den Kliniker aber entscheidend ankommt, ist die Klugheit. Thomas: "Der Grund liegt darin, daß die Klugheit die rechte auf das Tun gerichtete Vernunft ist, jedoch nicht etwa nur im Allgemeinen, sondern auch im Besonderen.." (S.T. I-II Q 58, art. 5).

Die Klugheit verbindet zugleich die intellektuellen mit den moralischen Tugenden, so Thomas von Aquin: "Deshalb muß es in der Vernunft eine verstandhafte Tugend geben, durch welche die Vernunft dazu vervollkommnet wird, daß sie sich recht verhält zu den Mitteln, die zum Ziel führen. Und diese Tugend ist die Klugheit" (S.T. I-II Q 57, art. 5).

Im klinischen Betrieb ist die Klugheit die zentrale intellektuelle Tugend. Aristoteles definiert, daß sie "ein untrüglicher Habitus vernünftigen Handelns ist in Dingen, die für den Menschen gut oder schlecht sind." (NE 1140b, 4-5).

Innerhalb der engeren Grenzen einer rollen- oder berufsbezogenen Ethik, so in der Medizin, wäre somit die Klugheit der Vernunft-Habitus, sowohl in technischer als auch moralischer Hinsicht im Dienst des für den Patienten Guten zu handeln. Die Klugheit disponiert den Kliniker, die klinischen Daten zu erheben, das Besondere jeden Falles auf seine moralischen Implikationen abzuklopfen, eine dementsprechende Rangordnung unter den anderen Tugenden aufzustellen sowie in komplexen, zuvor problemlosen Situationen die rechten Mittel zu wählen für eine moralisch einwandfreie Lösung. Klugheit verhilft zu moralisch rechtem klinischem Urteil.

Somit folgen die individuellen Tugenden, und zwar sowohl die intellektuellen als auch die moralischen Tugenden, aus dem Grundakt der Medizin: dem Versprechen professioneller Kompetenz. Sie lenken das ärztliche Handeln auf das für den Patienten medizinisch Gute, befähigen uns  zu den richtigen ordnungsgemäßen Schritten und übersetzen, dem Wohl dieser konkreten Person dienend, die rechte Wertorientierung in die Praxis. Die Klugheit ist das Bindeglied zwischen den intellektuellen Tugenden, den moralischen Tugenden und dem Bekenntnisakt. Die Klugheit führt den Verstand zu den anderen Tugenden hin. Und sie gewährleistet das Verschmelzen des technisch Korrekten und moralisch Guten zur Einheit - so Aristoteles -  "...weil die Willenswahl ohne Klugheit und ohne Tugend nicht recht geraten kann. Diese lässt uns das Ziel bestimmen, jene die Mittel dazu gebrauchen" (NE 1145a, 4-6).

III. Folgerungen für die anderen helfenden Berufe

Das in diesem Beitrag verwendete begriffliche Schema zur Neubestimmung der medizinisch-ärztlichen Tugenden unter dem Gesichtspunkt des für den Patienten Guten und des Bekenntnisses zum Arztberuf ist auch über die Medizin hinaus anwendbar. Nach dem gleichen Schema enthält eine spezifische Definition der Zwecke und Ziele des jeweiligen Berufs auch schon die Bestimmung des Guten etwa für den Mandanten des Anwalts, für den Schüler des Lehrers, für die dem Priester anvertrauten Seele. Wie in der Medizin ergeben sich auch hier schon aus der Zweck- und Zielbestimmung des jeweiligen Berufs konkrete berufliche Verpflichtungen. Jeder dieser Berufe hat seinen speziellen Akt des Versprechens, der um Vertrauen wirbt und daher bestimmte Tugendverpflichtungen mit sich bringt. Jeder hat eine dem Berufszweck und seiner Ausübung inhärente Moralität.

Justiz, Priestertum, Lehrberuf und Medizin haben eine phänomenologisch gemeinsame Grundlage: Sie alle haben es mit Menschen in existentiellen Notlagen zu tun. Mit Menschen, die abhängig sind, Angst haben, sich bedrängt fühlen, denen etwas Wesentliches zum Vorankommen fehlt. Im Fall der Medizin fehlt Gesundheit, im Fall der Justiz Recht oder Gerechtigkeit, im Fall der Schule Wissen, im Fall der Religion die Verbindung zu Gott. In solch existentiellen Notlagen sind Menschen höchst verletzlich und ausbeutbar. Nun werden sie durch den jeweiligen beruflichen Akt des Versprechens eingeladen, dem Inhaber des Berufs zu vertrauen. Mehr noch: Ihm muß jeder einzelne vertrauen, wenn er von ihm Hilfe oder Heilung will. In jedem Einzelfall könnte ein vertrauensunwürdiger Berufsvertreter die Abhängigkeit und Verletzlichkeit des Hilfesuchenden auch ausnutzen für eigenen Machtzuwachs, für Geld oder Prestige. Letzter Halt und Garant leiblicher und psychischer Integrität ist in jedem Fall für den Abhängigen einzig der Charakter des Berufsinhabers. Ziel und Zweck solcher beruflicher Tätigkeit ist deshalb - und das gilt in allen Fällen -einzig das für den Hilfesuchenden Gute.

Wie im Arzt-Patient-Verhältnis hat auch in jedem der anderen helfenden Berufe "das Gute" vier Elemente oder Ebenen: (1) die Ebene des technisch Guten, (2) das Gute, wie es der Hilfsbedürftige für sich sieht, (3) das grundsätzlich für ein erfülltes Menschenleben Gute, (4) das spirituell Gute. Jeder der Berufe widmet sich vorrangig dem Guten auf der einen oder anderen der vier Ebenen. Aber unabhängig vom seiner speziellen Blickrichtung behält jeder der Berufe auch das Gesamtwohl der Person, der er dient, im Blick.

Für den Anwalt beispielsweise steht im Vordergrund, daß sein Mandant Recht bekommt. Gerechtigkeit ist ein für den Mandanten zur Erfüllung seines Menschseins notwendiges Gut. Dieses Ziel kann der Anwalt nicht erreichen, ohne sich auf der ersten Ebene zu bewähren. Er muß zuvörderst in Rechtssachen kompetent sein. Er muß die Verfahren und Techniken zur Durchsetzung seines Casus vor Gericht, in Verhandlungen und bei Vernehmung von Zeugen voll beherrschen. Das ist zwar unverzichtbar, um ein richtiges Urteil zu bekommen, aber für ein gutes Urteil nicht hinreichend. Hierzu muß der Anwalt auch den anderen Wertebenen des Mandanten gerecht werden.

Nehmen wir Ebene 2: Was hält der Mandant selbst in seinem Fall für gerecht? Inwieweit ist er zum Risiko bereit, auch zu verlieren? Oder dazu, das Verfahren auszusetzen? Oder ist er vielleicht etwa rachsüchtig?

Auf Ebene 3 hängen Erfolg oder Versagen des Anwalts davon ab, inwieweit er für seinen Mandanten das Menschenrecht der Gerechtigkeit, Freiheit, Rechtfertigung erkämpft oder aber, wenn er schuldig ist, ein faires Urteil erstreitet. Auf Ebene 4 schließlich muß, soweit beim Kampf des Mandanten um sein Recht sein religiöser oder spiritueller Glaube eine Rolle spielt, dieser ernstgenommen und beachtet werden. Möglicherweise verzichtet der Mandant ja im Namen der Nächstenliebe auf Forderungen an seinen Gegner. Wie in der Medizin müssen also auch in einer moralisch einwandfreien Anwalt-Mandant-Beziehung alle vier Ebenen des angestrebten Guten in Rechnung gestellt werden.

Ähnliches gilt für den Lehrberuf. Für den Lehrer als Besitzer des Wissens und Könnens steht Ebene 3 im Vordergrund. Wissen und Wahrheit sind für die menschliche Entwicklung und Erfüllung notwenige Güter. Um Schülern zum Erwerb dieser Güter  zu verhelfen, muß der Lehrer gemäß Ebene 1 über das Fachwissen und -können auf dem Gebiet verfügen, das er unterrichten will. Ferner muß er die Didaktik, die Quellenlage und die technischen Mittel beherrschen, ohne die die Wissensübermittlung nicht gelingt. Ebene 2 verlangt, daß der Lehrer auch bis zu einem gewissen Grad eingehen auf die Interessen, Lernmethoden, Arbeitseinstellungen und auf den Ehrgeiz der Schüler voranzukommen. Im Interesse der Schülerwohls kann der Lehrer auch genötigt sein, die Interessen der Schüler, wenn sie dem Lernziel im Wege stehen, in gewissem Umfang umzulenken, zu bremsen oder in andere Richtungen zu orientieren. Ebene 3 verlangt vom Lehrer i.S. des grundsätzlich für Menschen Guten, einen Umgang mit den Schülern, wie er ihrer Würde als Personen entspricht: fair, redlich, usw. Ebene 4 schließlich: Spirituelle Anlagen müssen respektiert werden, sich entwickeln dürfen und mit der mehr technischen oder akademischen Ausbildung in Einklang gebracht werden.

Das Verhältnis zwischen dem Priester und den ihm seelsorglich Anvertrauten wird unter moralischem Aspekt von Ebene 4 geprägt, der Ebene des spirituell Guten. Das ist nämlich, was ein Beichtkind vom Beichtvater erwartet: Rat, was seine Beziehung zu Gott betrifft; Wiederversöhnung mit Gott nach der Sünde; Wege, um im geistlichen Leben zu wachsen; Antworten auf Zweifel, wie moralische Fragen im Licht von Offenbarung und kirchlicher Lehre zu lösen sind, wie man dem göttlichen Willen gemäß sich dem Tod oder etwaigen Schicksalsschlägen gegenüber einstellen soll. Für religiöse Menschen hat das geistliche Wohl Vorrang vor allen andern Ebenen des Guten. Aber deshalb können nicht die anderen Ebenen beiseite gelassen werden. Sie gehören auch zum Gesamtwohl dessen, der geistliche Hilfe sucht. Um die notwendige Synthese zuwege zu bringen, kann es angebracht sein, daß Arzt, Priester und Anwalt eng zusammenarbeiten.

Jedenfalls muß auch der Priester das auf Ebene 1 verlangte Können beherrschen, das die Ziele seiner beruflichen Tätigkeit voraussetzen. Seine priesterliche Berufung gibt sie ihm auf. Um wirksam guten geistlichen Rat zu erteilen, muß er theologisch und pastoral gut gebildet sein. Dabei muß er - Ebene 2 - die Eigenart seines Gegenübers berücksichtigen, sein Wertebild, seine spezielle geistliche Not, seine Lebensumstände, seine besondern Neigungen in Sachen religiöses Charisma, Weise des Betens, Lebensgestaltung. usw. Sodann hat der Priester auch - Ebene 3 - das subjektive menschliche Wohl des ihm Anvertrauten zu schützen: Wahrung des Beichtgeheimnisses, Hilfe dabei, über das geistliche Wohl das zeitliche nicht zu vernachlässigen und beides zu harmonisieren, ihn als Kind Gottes in seiner vollen Würde ernstnehmen, usw.

In jedem Beruf haben die vier Ebenen oder Aspekte des für den Betroffenen Guten eine gewisse Reihenfolge oder hierarchische Ordnung. Das spirituell Gute steht für viele beispielsweise ganz oben. Erst dann folgen absteigend das grundsätzlich menschlich Gute, das nach eigener Einschätzung Gute und, erst auf der untersten Stufe, das gemäß dem jeweiligen Beruf technisch Gute. Moralische Entscheidungen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit sind "richtig", wenn sie der techné des Berufs auf Ebene 1 genügen. Um moralisch "gut" zu sein, müssen sie auch den Anforderungen der anderen Ebenen entsprechen. In der Rangfolge der Ebenen setzt jedermann seine eigenen Prioritäten.

Im Ergebnis verbindet die vier "helfenden Berufe" ein gemeinsames Ziel: der Einsatz für das Wohl konkreter Menschen in verwundbarem Zustand, die auf ihre Fachkenntnis angewiesen sind. Zu einem solchen Einsatz bekennen sich alle vier. Erst hierdurch wird der jeweilige Einsatz zum Beruf. In allen vier lädt das Bekenntnis zum Beruf zum Vertrauen ein. Für alle vier gilt es, dieses Vertrauen zu rechtfertigen, wenn der berufliche Zweck erfüllt werden soll. Aus dieser Forderung leiten sich bestimmte zur Erfüllung des Zwecks nötige Tugenden ab. Ohne sie ist das Berufsversprechen nicht haltbar. Im öffentlichen wie im privaten Bekenntnis zum Beruf sind in allen vier Fällen sowohl die intellektuellen als auch die moralischen Tugenden bereits vorgegeben. Damit ist gewährleistet, daß die getroffenen Entscheidung und durchgeführten Maßnahmen technisch korrekt und moralisch gut sind.

Mindestens berufsbezogen ist, wie gezeigt, die Tugendlehre also keineswegs gefangen in einem eisernen Käfig logischer Redundanz. Sie hat ihren Ausgangspunkt im privaten oder öffentlichen Bekenntnis zum Beruf, im Akt der Treuebindung an ein Ziel, an das für den Patienten oder je nachdem Mandanten, Schüler oder religiös Gläubigen Gute. Dieses Gute ist der terminus a quo. Von Anfang ist dieses Ziel zugleich das Gute des jeweiligen Berufs: der terminus ad quem. Es gibt also keine zirkuläre Verfangenheit, vielmehr eine eindeutig lineare Zielgerichtetheit. Die moralisch zielorientierte, teleologische Bewegung gibt der Berufsethik ihre Kraft. Soziologische Definitionen beschreiben einen Beruf von außen. Die moralischen Definitionen hingegen sind dem Wesen eines jeden Berufs inhärent und ihm selbst

zu entnehmen.

IV. Einige Einwände

Der hier entwickelte Gedankengang zu den Tugenden in der medizinischen Praxis folgt aus einer Philosophie der Medizin, die ich 1976 (Pellegrino 1976) konzipiert und in der Folgezeit in einer Reihe von Büchern und anderen Schriften gemeinsam mit David Thomasma weiterentwickelt habe (Pellegrino and Thomasma 1981, 1987, 1993).

Eine Ethik in der Medizin auf eine Philosophie der Medizin zu gründen bedeutet nicht Fixierung auf eine auf die Medizin beschränkte Ethik oder Philosophie. Auch nicht, daß jeder Beruf und jede Kunst ihrer eigenen Ethik bedürften. Worauf es vielmehr ankommt, ist, daß am Anfang die zugrundeliegenden Sachverhalte und Besonderheiten der Arzt-Patient-Begegnung und des Heilberufs erfaßt werden. Diese Sachverhalte machen die Medizin zu der spezifischen menschlichen Tätigkeit, die sie ist und von anderen Tätigkeiten unterscheidet. Das macht die Sache zum Gegenstand spezieller Ethik.

Ist die Natur - das eidos - der Arzt-Patient-Begegnung phänomenologisch erfasst und ist das Ziel definiert, das Wohl des Patienten bestmöglich zu verwirklichen, können bestehende Ethik-Theorien die spezifischen Tugenden, Aufgaben und Verpflichtungen aufzeigen, die hierzu vom Arzt und vom Patienten verlangt sind. Hier steht das Prinzip im Mittelpunkt, daß Versprechen zu halten sind, näherhin das Versprechen, das mit dem besonderen Akt des Bekenntnisses zum Beruf gegeben wird.

Zugegebenermaßen kombiniere ich eine klassische Tugend- und Zwecklehre mit Elementen eines modernen phänomenologischen Realismus. Ich beginne aber nicht mit spezifisch normativen Vorgaben, wie es bei geläufigen Ethiktheorien der Fall wäre. Kants Pflichtethik würde uns sogleich auf den kategorischen Imperativ verweisen, der Utilitarismus auf den Kalkül des größten Nutzens, der Konsequenzialismus ausschließlich auf die Folgen des Handelns, der soziale Konstruktivismus und die Diskursethik auf den Konsens, usw. Mein Ansatz schließt keine dieser Theorien per se aus, kann sie vielmehr durchaus hier und da nutzen. Allerdings suche ich mir unter den bestehenden Theorien diejenige aus, die auf die existentielle Wirklichkeit des Arzt-Patient-Verhältnisses am besten paßt, mit anderen Worten: welche den moralisch Handelnden auf den nächsten Weg zum klinischen Ziel bringt.

Dieser Ansatz geht aus von den Phänomenen der realen medizinischen Welt. Aus diesen Phänomenen ergibt sich, welche Normen am ehesten richtiges und gutes Handeln leiten. Das ist nicht dasselbe wie aus bloß faktischer Weltwirklichkeit abzuleiten, welchen Normen man folgen sollte. Dies hieße dem naturalistischen Fehlschluß erliegen, nämlich vom "Sein" aufs "Sollen" zu schließen. Das existentielle "Ist" meines Ansatzes bezieht sich auf die Natur der Dinge in ihrer phänomenologischen Realität.

Daraus ergibt sich nicht per se ein moralischer Leitsatz, beispielsweise daß Versprechen zu halten sind.

Ich gehe davon aus, daß es bestimmte moralische Grundsätze, Tugenden, Pflichten, usw., schon gibt. Sie sind, abgeleitet aus schon vorhandenen Moraltheorien, vorgegeben. Ich erfinde keine mit besonderer Paßform auf die Phänomene der klinischen Medizin. Vielmehr versuche ich, aufgrund einer Betrachtung der Phänomene und der Prüfung, welche Ethiktheorien ihnen gerecht werden, herauszufinden, welche Grundsätze, Pflichten oder Tugenden speziell geeignet und nötig sind, um das telos medizinischen Handelns zu  verwirklichen. So ergibt sich der moralische Gehalt des ärztlichen Berufsethos aus dem Phänomen des Versprechensaktes. Aus dem Akt des Versprechens ergibt sich naturgemäß die Pflicht, dem Versprechen treu zu bleiben.

1994 begründete Daryl Koehn die Berufsethik mit gesellschaftlicher Inpflichtnahme und öffentlichem Versprechen. Sie hätten die Pflichten zur Folge. Die Merkmale üblicher soziologischer Beschreibung eines Berufs als Quelle seines Moralstatus wies Koehn zurück. Wie ich betonte er den Bekenntnisakt. Aber da gibt es beachtliche Unterschiede. Koehns Ansatz liegt insbesondere keine Philosophie der Medizin zugrunde. Es gibt da weder eine Verbindung zur Tugendlehre, ob klassisch oder modern, noch zu Zielen oder Zwecken in irgendeinem teleologischen Sinne. Seine Analyse läuft eher auf eine gesellschaftsvertragliche Grundlegung beruflicher Ethik hinaus. Seine Arbeit ist ein wertvoller Beitrag zum besseren Verständnis, was Beruf und Professionalität bedeutet. Er liefert aber meines Erachtens keine hinreichende Grundlage für eine ethisch inhaltliche Bestimmung des Berufs.

Einige zeitgenössische Ethiker würden vermutlich gegen die Folgerungen sowohl von Koehn als auch von mir und Thomasma einwenden, daß sie sich aus dem Wesen des Bekenntnisaktesergeben. Sie betrachten die genannten Tugenden als überflüssige Zutat, als Überforderung über das hinaus, was Tugend oder Pflicht eigentlich verlangen. McKay (2002) meint, medizinisch tätig zu werden bedeute angesichts der Risiken, die der Arzt auf sich nimmt, eine "unberechtigte" Überforderung. O’Neill (1996) spricht noch von einer Überforderung anderer Art: Nicht die übernommenen Pflichten überforderten die Ärzte, vielmehr das geforderte Maß der Erfüllung dieser Pflichten, wenn es das Maß gewöhnlicher Pflichterfüllung überschreitet.

Downie (2002) andererseits sieht in der Arbeit des Arztes weder Tugend noch Altruismus überhaupt. Insofern sei auch keine Überforderung möglich. Es gehöre einfach zur Job-Beschreibung des Doktors, im besten Interesse des Patienten zu handeln. Ähnlich Veatch mit seiner gewohnten Skepsis gegenüber Tugenden und der Fähigkeit des Arztes, irgendwelche Erkenntnisse über so etwas wie das für einen Patienten Gute zu haben. Entsprechend bezweifelt er auch jegliche wirkliche Bedeutung ärztlicher Gelöbnisse.

Viele Ärzte werden mit meinen hier vorgetragenen Überlegungen zwar im Grundsatz einverstanden sein, aber einwenden, sie seien "idealistisch", im Medizinbetrieb unter den kommerzialisierten Bedingungen des real existierenden Gesundheitssystem jedenfalls unmöglich einzuhalten. Sie paraphrasieren dann Macchiavellis Rat an seinen Prinzen, daß man nicht tugendhaft sein kann, wenn alle andern es nicht sind.

Kritiker des Medizinbetriebs würden vermutlich sagen, meine Überlegungen seien unrealistisch, denn auch Ärzte seien in erster Linie vom Eigeninteresse motiviert. Von Tugenden und dem für den Patienten Guten zu sprechen heiße, ethischen Fantasien zu frönen.

Diese Einwände mögen sich als "pragmatisch" oder "realistisch" zusammenfassen lassen. Sie laufen aber auf den Versuch hinaus, die moralische Perspektive des einzelnen oder der Gesellschaft auf selbstsüchtige Eigeninteressen zu verkürzen. Es sind Einwände moderner Hobbesianer, die allerdings dennoch dessen Leviathan zurückweisen würden - als untaugliche Einschränkung der Erfüllung eigener selbstsüchtiger Interessen. Nichts davon schafft die Tatsache aus der Welt, daß der Charakter des Arztes der Filter ist, durch den die moralischen Entscheidungen über die Behandlung eines Patienten hindurch müssen. Es ist keine Überforderung, die Wirklichkeit der klinischen Arzt-Patient-Begegnung voll wahrzunehmen und im beruflichen Bekenntnisakt das darin naturgemäß enthaltene Versprechen anzuerkennen - einschließlich der damit versprochenen Tugendverpflichtung. Sich an Versprechen treu zu halten ist eine höchst fundamentale ethische Pflicht. Sie kann deshalb weder überfordern noch ein bloß wünschenswerter Teil einer Job-Beschreibung sein.

Der berufliche Bekenntnisakt ruft nach bestimmten Tugenden, die zur Erfüllung der moralischen Zwecke der Medizin entscheidend sind. Ohne sie wird der Arzt nicht nur zum bloßen Techniker, sondern auch zum Ausbeuter der Verwundbarkeit des Patienten. Arztsein heißt nicht Privilegien in Anspruch nehmen, vielmehr für das Wohl anderer moralisch Verantwortung übernehmen.

Ergebnis

Moralisches Gravitationszentrum der Berufe ist der Akt des Bekenntnisses zum Beruf, die öffentliche und private Erklärung hinreichenden Fachwissens zur Erreichung des für diejenigen Guten, an die die Erklärung gerichtet ist. Auf dieser Prämisse beruhen Erwartungen, deren Enttäuschung Nichteinhaltung eines feierlichen Versprechens darstellt und die Medizin anderen Zwecken unterwirft als ihr vorgegeben sind.

Im Mittelpunkt einer Philosophie der Berufe steht deren Bekenntnisakt. Auf der Grundlage einer solchen Philosophie kann eine wirklichkeitsnahe und gesunde Ethik der Professionalität aufgebaut werden.

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1 vgl. Beauchamp u. Childress, 2001 (Anm. d. Übersetzers)

1a Engl "caring ethics”: eine insbes. für Pflegeberufe vertretene Situationsethik mit Nachdruck auf Zuwendung und Gefühl

2 i.S. des Unterschieds im Griechischen von poiesis und praxis (Anm. des Übersetzers).

3 In Deutschland wird der Begriff Behandlungsabbruch zunehmend ersetzt durch "Änderung des Behandlungsziels” im Sinne des Übergangs zur palliativen Behandlung. (Anm. d. Übersetzers).

4 in der deutschen Ausgabe: MacIntyre Alasdair, Der Verlust der Tugend, Frankfurt NewYork (Campus) 1987, 255 f.

5 Ebd., 251 f.

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